Das Dienstleistungspaket der EU-Kommission: Unsere bewährten Strukturen erhalten

Dienstleistungen machen zwei Drittel der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union aus und sie schaffen 90 Prozent aller neuen Arbeitsplätze. Dennoch funktioniert der Warenaustausch im europäischen Binnenmarkt noch immer besser als der Austausch von Dienstleistungen. Um das Potenzial des EU-Binnenmarkts für Dienstleistungen besser zu nutzen, hat die EU-Kommission im Januar 2017 ein Dienstleistungspaket mit vier konkreten Initiativen vorgeschlagen.

  • Einführung einer elektronischen Dienstleistungskarte: Diese soll es ausgewählten Berufen im Dienstleistungssektor erleichtern, Verwaltungsformalitäten zu erfüllen, um Leistungen im EU-Ausland erbringen zu können.

 

  • Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen: Vor der Einführung neuer Berufsregulierungen bzw. vor der Änderung bereits bestehender Berufsregulierungen in den Mitgliedstaaten soll eine EU-weit vergleichbare ex-ante Bewertungsmethode eingerichtet werden.

 

  • Reform des Notifizierungsverfahrens im Rahmen der EU-Dienstleistungsrichtlinie: Nach den bestehenden Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, der EU-Kommission Änderungen zu nationalen Rechtsvorschriften für Dienstleistungen zu melden, damit etwaige Bedenken in einem frühen Stadium der Gesetzgebung angebracht werden können. Dieser Mechanismus soll nun verschärft werden: Die EU-Kommission soll das Recht erhalten, noch vor Erlass der nationalen Regelung eine Vorwarnung bei Unvereinbarkeit mit EU-Recht aussprechen zu können und ein Veto gegen den Erlass einlegen zu dürfen.

 

  • Reformempfehlungen für die Reglementierung freiberuflich erbrachter Dienstleistungen: Die EU-Kommission hat Leitlinien zum Reformbedarf der Mitgliedstaaten bei der Reglementierung freiberuflich erbrachter Dienstleistungen vorgelegt. Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Buchhalter, Steuerberater, Immobilienmakler und Fremdenführer sind hier betroffen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zu prüfen, ob die für diese freien Berufe geltenden Auflagen die von ihnen erklärten nationalen politischen Ziele erfüllen.

 

Derzeit wird das Paket zur Verbesserung des Dienstleistungsbinnenmarkts im Europäischen Parlament beraten. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat sich nun in einer Sitzung erstmals mit dem Kommissionsvorschlag beschäftigt und die kritischen Punkte aus Sicht vieler deutscher Freiberufler und Handwerker aufgegriffen. Und auch bei den weiteren Beratungen sind uns als CDU/CSU-Gruppe die Belange des Handwerks besonders wichtig. Es gilt, unsere bewährten Strukturen der Berufsreglementierung und unseren Meisterbrief, aber auch die bewährten Regeln für die Selbstverwaltung der Wirtschaft und für freiberufliche Tätigkeiten zu erhalten und zu verteidigen.

Das System der berufsständischen Selbstverwaltung der Kammern in Deutschland ermöglicht einen hohen Grad an Eigenverantwortung und Sachnähe. Die Verhältnismäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in Kammern und die Selbstverwaltung der Kammern stehen für mich daher nicht in Frage. Gerade die freien Berufe in Deutschland sind für ihre hohe Qualität und Kompetenz europaweit bekannt. Daher lehnen wir als CDU/CSU-Gruppe die im Kommissionsvorschlag zur Verhältnismäßigkeit vorgesehene Pflichtmitgliedschaft in Kammern als negatives Kumulativkriterium ab.

Im Jahr 2013 ist es uns auf europäischer Ebene erstmals gelungen, die duale Ausbildung in der Berufsanerkennungsrichtlinie sekundärrechtlich zu verankern. Inzwischen ist der gute Ruf der deutschen dualen Ausbildung auch in den europäischen Nachbarstaaten angekommen. Dass unsere duale Ausbildung europaweit als Vorbild gilt, haben wir vor allem dem Engagement der Handwerksbetriebe, der Kammern und Berufsschulen zu verdanken. In meinen Augen ist unser bewährtes System der dualen Ausbildung und des Meisterbriefes auch ausschlaggebend dafür, dass wir in Deutschland nach wie vor die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in Europa haben.

Als CDU/CSU-Gruppe stehen wir für das Handwerk, die Meisterpflicht und den Meistervorbehalt, freiberufliche Tätigkeiten und die Selbstverwaltung der Wirtschaft ein. Dass die Berufsreglementierung nach wie vor in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt, halten wir durchaus für sinnvoll. Daher werden wir auch weiterhin sicherstellen, dass den Mitgliedstaaten ein angemessener Ermessensspielraum bei der Berufsreglementierung zur Verfügung steht.

Und wir bleiben auch dabei, dass entgegen Behauptungen der EU-Kommission sinnvolle Regulierung wettbewerbsverbessernde Effekte und gleichzeitig sogar wachstumssteigernde Kräfte erzielen kann. Wir lehnen den aus Großbritannien immer wieder initiierten Trend zur blinden „Deregulierung“ ab. Vielmehr geht es in meinen Augen darum, dass die unterschiedlichen nationalen Behörden besser und schneller im Interesse der Dienstleister zusammenarbeiten.

Weiterhin steht für uns als CDU/CSU-Gruppe das Subsidiaritätsprinzip im Mittelpunkt der Beratungen zum Dienstleistungspaket. Wir werden dafür sorgen, dass die Verhältnismäßigkeitsrichtlinie ihren Namen auch verdient – nicht jede unbedeutende Regelung soll der EU-Kommission im Rahmen der Notifizierungsrichtlinie gemeldet werden müssen, sondern nur wesentliche Änderungen.

Der europäische Dienstleistungssektor ist ohne Zweifel ein wesentlicher Motor für Wachstum und Beschäftigung. Ich halte es daher für sehr wichtig, dass der EU-Binnenmarkt in diesem Bereich weiter zusammenwächst. Dienstleistungen im EU-Ausland zu erbringen, muss auch möglich sein, ohne sich durch den Regulierungsdschungel durchbeißen zu müssen. Genehmigungen für Dienstleister müssen zügig erteilt werden. Eine automatische Genehmigung der Dienstleistungserbringung nach 4 oder 6 Wochen ist aus meiner Sicht aber kein Beitrag zur Beschleunigung, sondern zur Verringerung der Rechtssicherheit behördlicher Entscheidungen. Ich halte das Ziellandprinzip weiterhin für sinnvoll. Deswegen stehe ich dem Kommissionsvorschlag einer Europäischen Dienstleistungskarte, einschließlich der Genehmigungsfiktion, ablehnend gegenüber.

Schließlich sehe ich es als kritisch an, die EU-Kommission zu einer Superrevisionsinstanz nationaler Gesetzgebung zu machen; auch wenn eine Notifizierung von Gesetzesvorhaben bei der Kommission förderlich sein kann. Ein Vetorecht der Kommission bei nationaler Gesetzgebung – wie im Vorschlag zur Notifizierungsrichtlinie vorgesehen – lehne ich allerdings ab.

Im Europäischen Parlament werden wir Abgeordnete nun die Vorschläge der EU-Kommission genauestens prüfen und Änderungen an diesen vornehmen. Im nächsten Schritt wird jeweils ein Berichtsentwurf zu den vier Initiativen im Binnenmarktausschuss bis Mitte Juli bzw. Anfang September erarbeitet. Wir als CDU/CSU-Gruppe werden auch bei den weiteren Beratungen und Verhandlungen die Belange des Handwerks und der Freiberufler im Blick haben und unverhältnismäßige Regelungen sowie ein Eingreifen in nationale Kompetenzen nicht zulassen.