Im EU-Parlament haben wir am 29. April 2021 eine Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr gebilligt. Die neuen Regeln sollen dafür sorgen, dass Fahrgäste bei Verspätungen und Zugausfällen Hilfe bekommen und auf andere Verbindungen umsteigen können. Zudem sind für Personen mit eingeschränkter Mobilität mehr Barrierefreiheit und bessere Unterstützungsangebote vorgesehen.
Bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten können Reisende künftig frei wählen, ob sie die Ticketkosten erstattet bekommen, die Reise fortsetzen oder auf eine andere Verbindung umsteigen möchten. Falls das Bahnunternehmen innerhalb von 100 Minuten nach der geplanten Abfahrtszeit keinen alternativen Weg zum Ziel anbietet, dürfen die Reisenden selbst einen anderen Zug nehmen. In diesem Fall müssen die Reisenden die Kosten dafür erstattet bekommen.
Die neuen Regeln bringen auch Klarheit darüber welche Ereignisse als „höhere Gewalt“ gelten. In diesen Fällen müssen Bahnunternehmen bei Verspätungen oder Ausfällen keine Entschädigung zahlen. Konkret gehören jetzt auch schwere Gesundheitskrisen und Terroranschläge neben extremen Wetterbedingungen und schweren Naturkatastrophen dazu. Streiks des Bahnpersonals fallen nicht unter diese Ausnahme.
Auch für Menschen mit Behinderung und eingeschränkter Mobilität wird es Verbesserungen geben. Statt wie bisher 48 Stunden vorher, müssen Anmeldungen für Hilfebedarf nur noch 24 Stunden vorher erfolgen. Es reicht eine Anmeldung für die gesamte Fahrtstrecke. Außerdem werden die Eisenbahnen verpflichtet, ihr Personal für die Betreuung gesondert zu schulen. Falls eine Begleitperson mitkommen muss, darf sie kostenlos mitfahren. Es ist auch sichergestellt, dass Begleithunde mitreisen dürfen.
Darüber hinaus wird die Mitnahme von Fahrrädern im Zug deutlich erleichtert. In Zukunft müssen alle Züge Platz für mindestens vier Fahrräder bieten. Der vor der Covid-19-Krise boomende Fahrradtourismus wird davon sicherlich profitieren. Währenddessen bleiben die Mindestentschädigungen für Verspätungen unverändert, auch wenn wir im Europaparlament hier mehr gefordert hatten.
In meinen Augen sind die neuen Regeln ausbalanciert und machen das Bahnreisen in Europa noch attraktiver.
Hintergrund:
Die ersten Fahrgastrechte wurden im Jahr 2007 verabschiedet. Aufgrund vieler nationaler Ausnahmen und einer daraus resultierenden Unklarheit über die Regeln, hat die Europäische Kommission im September 2017 einen neuen Vorschlag vorgelegt. Die neuen Regeln der Verordnung gelten grundsätzlich für alle nationalen und internationalen Zugverbindungen in der EU. Für Verbindungen im Inland können die Mitgliedstaaten allerdings eine begrenzte Zeit lang Ausnahmen erlauben. Die Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Umgesetzt werden müssen die neuen Regeln innerhalb von zwei Jahren. Lediglich die Bestimmungen über Fahrradplätze gelten erst vier Jahre nach Inkrafttreten der neuen Verordnung.