Zurück am Verhandlungstisch: Jetzt zählt die Zukunft!
Als das Vereinigte Königreich 2020 die Europäische Union verlassen hat, war das ein Moment, den viele von uns im Europäischen Parlament nicht vergessen werden. Mit stehenden Ovationen verabschiedeten wir unsere britischen Kolleginnen und Kollegen – laut, herzlich und mit großem Respekt. Und doch mischten sich in diesen Moment auch Bekümmertheit, Besorgnis und die schmerzliche Ahnung, was verloren gehen würde. Denn der Brexit war nicht nur ein politischer Einschnitt, sondern ein Bruch im Miteinander zwischen Menschen, Institutionen und Regionen.
Seither spüren wir die Folgen: Reisende stehen an britischen Flughäfen wieder in langen Schlangen, weil sie die automatisierten E-Gates nicht mehr nutzen dürfen. Wer in Großbritannien studieren oder arbeiten möchte, muss ein Visum beantragen. Der Warenverkehr ist komplizierter geworden – nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für kleinere Betriebe, die ihre Produkte bislang unbürokratisch über den Ärmelkanal lieferten. Und nicht zuletzt: Der Brexit hat jungen Menschen auf beiden Seiten des Kanals die Tür zum Erasmus+-Programm verschlossen. Damit fehlt eine der wichtigsten Chancen, gemeinsam zu lernen, zu leben und Europa im Alltag zu erfahren
Gerade deshalb ist es ein ermutigendes Signal, dass die EU und das Vereinigte Königreich nun wieder aufeinander zugehen. Beim ersten gemeinsamen Gipfel seit dem Brexit Mitte Mai wurde deutlich: Beide Seiten wollen mehr: mehr Zusammenarbeit in der Energiepolitik, bei der Koppelung der CO₂-Grenzausgleichssysteme, beim Emissionshandel. Auch in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wurden klare Schritte vereinbart, wie etwa gemeinsame strategische Analysen, Zusammenarbeit bei Friedensmissionen, Cybersicherheit, der Schutz kritischer Infrastruktur und Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen. In einer Zeit globaler Instabilität sind das entscheidende Bausteine für mehr europäische Handlungsfähigkeit.
Besonders freue ich mich natürlich auch über die Fortschritte im Bereich Bildung und Mobilität: Ein neues bilaterales Programm soll jungen Menschen auf beiden Seiten wieder den Zugang zu Austauschformaten ermöglichen – für Studium, Freiwilligendienste oder Arbeitsaufenthalte. Zugleich wurden Gespräche über eine mögliche Rückkehr Großbritanniens zu Erasmus+ vereinbart.
Auch wirtschaftlich wurden wichtige Weichen gestellt: Mit der Einigung auf ein langfristiges Abkommen zu Lebensmittelsicherheit und Fischereirechten gibt es endlich Planungssicherheit für Landwirte und Fischer – in Großbritannien wie auf dem Kontinent.
Noch ist nicht alles verhandelt, aber die Richtung stimmt. Es geht nicht um Nostalgie, sondern um kluge Zusammenarbeit im beiderseitigen Interesse. Die Tür nach Europa steht Großbritannien weiter offen – das war so, das bleibt so.