Warum ein weiteres Ethikgremium keine Lösung ist

Transparenz und Integrität sind das Fundament unserer Demokratie. Gerade in den vergangenen Jahren haben wir gesehen, wie wichtig scharfe Regeln und konsequente Kontrollen sind, um Fehlverhalten aufzudecken und zu sanktionieren. Ohne die strikten Dokumentationspflichten des Europäischen Parlaments wären die Enthüllungen rund um Katargate oder die perfiden Machenschaften von Marine Le Pen womöglich niemals ans Licht gekommen und hätten nicht geahndet werden können. Die Regeln wurden mit Beginn der neuen Legislaturperiode nochmals verschärft. Doch nun soll ein weiteres Ethikgremium geschaffen werden – eine vierte Behörde neben den bestehenden Kontrollmechanismen. Warum das aus meiner Sicht keine gute Lösung ist, möchte ich an dieser Stelle erklären.

Bereits heute gibt es starke Kontrollmechanismen: Das Parlament selbst hat klare Regeln für die Transparenz von Nebeneinkünften, für Lobbykontakte und für Interessenkonflikte. Verstöße werden konsequent geahndet. Hinzu kommen unabhängige Prüfinstanzen wie die Europäische Antibetrugsbehörde (OLAF), der Europäische Rechnungshof und die Europäische Staatsanwaltschaft. Diese Struktur funktioniert. Nun aber soll ein Ethikgremium eingeführt werden, das nicht nur vage in seinen Kompetenzen ist, sondern auch problematische Machtverschiebungen nach sich ziehen würde.

Ein zentrales Problem ist die geplante Zusammensetzung des Gremiums. Während sich Parlament, Kommission, EZB und andere Institutionen an die Ethikvorgaben halten müssten, bliebe der Europäische Rat - also die Minister der Mitgliedstaaten - außen vor. Dennoch hätten sie Einfluss auf die Regeln für Abgeordnete, ohne selbst daran gebunden zu sein. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung.

Hinzu kommt eine weitere problematische Verschiebung der institutionellen Balance. Das Parlament hat die Aufgabe, die Kommission zu kontrollieren. Durch das geplante Ethikgremium würde sich die Kontrollrichtung jedoch umkehren, was nicht Sinn der Sache sein kann.

Auch aus rechtlicher Sicht ist der Vorschlag unausgereift. Ein Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (AFET) weist darauf hin, dass das Gremium zwar beschlossen, aber noch nicht in die Geschäftsordnung des Parlaments integriert wurde. Doch ein solches Gremium kann nicht einfach ohne festgelegte Regeln geschaffen werden. Es muss erst in die parlamentarischen Verfahren aufgenommen und genau definiert werden. Deshalb hat die EVP-Fraktion klar dafür gestimmt, dass das Gremium nicht mit seiner Arbeit beginnen und auch keine Finanzierung erhalten sollte, bevor diese Fragen geklärt sind.

Kurzum: Ja, wir müssen weiter für Transparenz und höchste ethische Standards kämpfen. Ja, bestehende Kontrollmechanismen müssen konsequent genutzt und gegebenenfalls verbessert werden. Aber nein, wir brauchen dafür kein weiteres Bürokratiegebilde, das nicht automatisch bessere Kontrolle, sondern vor allem mehr Unklarheiten, mehr Kosten und eine gefährliche Verschiebung der institutionellen Balance bedeutet.

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