USA bricht mit Europa

Ein Kontinent im wirtschaftlichen Niedergang, der Verlust nationaler Identitäten und des Selbstvertrauens und – eigentlich – kurz vor der zivilisatorischen Auslöschung.
So drastisch beschreibt die neueste US-amerikanische Sicherheitsstrategie Europa. Das Dokument liest sich wie eine Abrechnung unter Eheleuten während der Scheidung. Und so darf es wahrscheinlich auch gemeint sein.

Für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bedeutet das eine harte Trennung und die eiskalte Erkenntnis, dass die USA und Europa in vielen Fragen zukünftig getrennte Wege gehen. Wo viele noch ein bisschen Hoffnung gehegt hatten, dass Donald Trump nur viel redet und es nicht so meint, herrscht jetzt endgültig Klarheit.

Die Konsequenzen sind weitreichend. Europa und seine Mitgliedsstaaten müssen ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu aufstellen. Amerikanische Sicherheitsgarantien, wie z. B. im Falle eines Angriffskrieges, dürften nur eingeschränkt gelten, und Europa wird zwangsläufig den Hauptanteil innerhalb der NATO-Strukturen übernehmen müssen. Als größtes Land der Europäischen Union bedeutet das auch, dass Deutschland wesentlich mehr Koordinierungs- und Verteidigungsaufgaben stemmen muss als bisher. Zwangsläufig bedeutet das höhere militärische Ausgaben. Auch die Unterstützung für die kriegsgebeutelte Ukraine lastet nun in großen Teilen auf Europa – egal ob Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung oder Geheimdienstinformationen. Die USA ziehen sich zurück und überlassen Europa den Löwenanteil der Unterstützung.

Doch trotz all dem Pessimismus wird die Verbindung zwischen Europa und den USA in vielen Bereichen weiterbestehen. Die EU und die Vereinigten Staaten haben die umfassendsten bilateralen Handels- und Investitionsbeziehungen der Welt und die am engsten miteinander verzahnten Volkswirtschaften. Zusammengenommen machen sie fast 30 % des weltweiten Handels mit Waren und Dienstleistungen und 43 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Die EU-Einfuhren aus den USA beliefen sich 2024 auf 334,8 Mrd. EUR. Der Wert der EU-Ausfuhren in die USA betrug sogar 532,3 Mrd. EUR.

Solch enge wirtschaftliche Verflechtungen bleiben auch in Krisenzeiten bestehen. Dennoch muss Europa hier vorsorgen, kritische Lieferketten ausbauen und die Abhängigkeit von amerikanischen Militärgütern verringern. Auch die Schaffung eines europäischen Beschaffungsmarktes für Rüstung muss endlich Realität werden. So vermeiden wir sinnlose Duplikationen und bauen die heimische Industrie weiter aus.

Wir dürfen uns nicht täuschen. Anstatt eines alten Freundes, auf den man sich verlassen konnte, ist man jetzt nur noch nachbarschaftlich miteinander verbunden. Anstatt gemeinsamer Lösungen bedeutet diese Zäsur, dass ab jetzt realpolitische Interessen vorgehen: USA First auf der einen Seite, Europa First auf der anderen.

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