Strategisch statt kleinteilig – der nächste MFR entscheidet über Europas Handlungsfähigkeit

Ob Studienaufenthalte mit Erasmus+, satellitengestützte Katastrophenhilfe oder Investitionen in ländliche Räume: Ohne den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) geht in Europa nichts. Der aktuelle MFR 2021–2027 bildet mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,21 Billionen Euro die finanzielle Grundlage aller EU-Programme – von der Agrarförderung über die Außenpolitik bis zur Entwicklungshilfe. Das entspricht rund einem Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung. Damit ist der MFR nicht nur ein Haushalt, sondern eines der größten strategischen Investitionsinstrumente unseres Kontinents.

Im kommenden Sommer wird die Europäische Kommission ihren Vorschlag für den nächsten Finanzrahmen 2028–2034 vorlegen. Dann geht es um die Frage: Wohin soll Europa investieren, damit es auch in einer sich schnell wandelnden Welt stark, handlungsfähig und geeint bleibt? Dabei müssen wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, geopolitische Interessen und der europäische Mehrwert Hand in Hand gehen. Ebenso wichtig ist mehr Flexibilität: Der Haushalt der EU muss künftig schneller und gezielter auf unvorhergesehene Krisen reagieren können.

Aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie und dem europäischen Wiederaufbauprogramm „NextGenerationEU“ müssen wir dabei die richtigen Schlüsse ziehen. Nationale Pläne können zwar positive Impulse setzen, doch in der Umsetzung haben sie oft enttäuscht. Viele der erhofften Ergebnisse blieben aus. Dieses Modell darf keine Blaupause für die Zukunft sein.

Gerade für Regionen wie Nordrhein-Westfalen ist es entscheidend, dass europäische Mittel dort ankommen, wo sie wirken sollen: vor Ort. Es reicht nicht, wenn Haushaltsentscheidungen allein in Brüssel oder den Hauptstädten getroffen werden. Europa lebt von seiner Vielfalt und von seinen Regionen. Nur wenn die Menschen konkret vor Ort erleben, dass Europa etwas für sie bewegt, kann Vertrauen entstehen.

Ein klarer Schwerpunkt im neuen MFR muss auf erfolgreichen Bildungs- und Austauschprogrammen liegen – allen voran Erasmus+. Seit 1987 haben über 15 Millionen junge Menschen daran teilgenommen. In Zeiten, in denen gegenseitiges Verständnis und europäischer Zusammenhalt wichtiger denn je sind, ist Erasmus+ ein zentraler Pfeiler für ein offenes, lebendiges Europa. Es begeistert junge Menschen für die europäische Idee und ist damit ein wirksames Mittel gegen wachsendes Misstrauen und Euroskepsis.

Gleiches gilt für das Programm Creative Europe, das gezielt die europäische Film- und Kulturszene sowie den Medien- und Nachrichtensektor unterstützt. Mit einem Jahresbudget von rund 325 Millionen Euro zählt es zwar nicht zu den Schwergewichten im EU-Haushalt – doch seine Wirkung ist enorm. Wer will, dass journalistische Vielfalt, Filmförderung und Kulturprojekte auch künftig einen festen Platz am europäischen Tisch haben, darf hier nicht kürzen. Im Gegenteil: Angesichts wachsender populistischer Strömungen braucht Europa einen starken Kultur- und Kreativsektor – als Ausdruck einer gemeinsamen europäischen Identität, die sich aus regionaler Vielfalt speist.

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