Schlupfloch zu: Fairer Wettbewerb auch im digitalen Handel
Jeden Tag erreichen Millionen Pakete aus Drittstaaten unsere Haustüren. Oft zu unschlagbaren Preisen – und ebenso oft an den europäischen Regeln vorbei. Wer clever deklariert, zahlt weder Zoll noch Umsatzsteuer – und entzieht sich so jeglicher Kontrolle. Für Plattformen wie Temu oder Shein ist das ein Geschäftsmodell. Für europäische Händler, Verbraucherinnen und Verbraucher und unsere Zollbehörden ist es längst ein strukturelles Problem.
In der Juli-Plenartagung hat das Europäische Parlament deutlich gemacht: Der digitale Binnenmarkt braucht klare Spielregeln und eine Zollreform, die auf aktuelle Herausforderungen antwortet. Die bislang geltende Freigrenze von 150 Euro hat sich als Einfallstor für massenhafte Billigimporte erwiesen. Sie soll abgeschafft werden. Denn ob ein Produkt fünf oder fünfhundert Euro kostet - es muss sicher, rückverfolgbar und regelkonform sein.
Allein 2024 wurden 4,6 Milliarden Kleinsendungen aus Drittstaaten gezählt. Viele davon erreichen den Binnenmarkt ohne jede Kontrolle – mit entsprechenden Risiken für Sicherheit, Umwelt und fairen Wettbewerb. Künftig soll deshalb eine pauschale Bearbeitungsgebühr für solche Direktimporte erhoben werden. Nicht die Kundinnen und Kunden, sondern die Plattformen selbst sollen zur Kasse gebeten werden. So lassen sich die Kosten für Kontrollen decken – und zugleich neue Eigenmittel für den EU-Haushalt schaffen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Verantwortung großer Online-Marktplätze. Plattformen wie Temu und Shein wurden als „Very Large Online Platforms“ eingestuft und unterliegen damit verschärften Auflagen nach dem Digital Services Act. Sie müssen Risiken durch gefälschte oder gefährliche Produkte regelmäßig analysieren, ihre Empfehlungsalgorithmen überprüfen und Meldewege für Verbraucher verbessern. Die Verfahren gegen diese Anbieter sind ein klares Signal: Die EU nimmt die Durchsetzung ihrer Regeln ernst – auch im digitalen Raum.
Diese Reform ist überfällig. Denn wenn sich internationale Plattformen der Verantwortung entziehen, zahlen am Ende andere den Preis: mit gefährlichen Produkten, unfairen Marktbedingungen und wachsendem Misstrauen gegenüber europäischen Standards. Der Binnenmarkt darf kein Einfallstor für unsichere Massenimporte sein. Wer hier verkauft, muss sich auch an unsere Regeln halten – ganz gleich, aus welchem Land das Paket kommt.