Kein Spielraum für Stillstand
Mit ihrem Vorschlag für Importkontingente und Zölle hat die Kommission am 7. Oktober endlich ein Signal gesetzt: Europa will seine industrielle Basis schützen – gegen globale Überkapazitäten und Dumpingexporte. Die zollfreien Einfuhrmengen sollen halbiert werden (auf rund 18,3 Millionen Tonnen jährlich), und jenseits dieser Grenze greift ein Zollsatz von 50 Prozent. Ergänzt wird das durch strengere Herkunftsnachweise („melted and poured“), um Umgehungsimporte zu verhindern, und eine komplexere Quotenverwaltung.
Diese Initiative ist gut und richtig, kommt aber spät – denn der Handlungsspielraum wird immer enger. Steigende Energiekosten, Unsicherheiten beim CO₂-Grenzausgleich (CBAM) und eine weltweite Subventionsspirale setzen unsere Industrie massiv unter Druck. Tausende Arbeitsplätze, Einkommen und ganze Wertschöpfungsketten hängen davon ab, ob wir die europäische Stahlproduktion stabilisieren – oder ob wir sie Stück für Stück verlieren.
Doch eines muss klar sein: Dieser Vorschlag darf nicht das Ende, sondern muss der Anfang einer industriepolitischen Kurskorrektur sein. Schutz dort, wo der Markt versagt – ja. Aber nur, wenn er gekoppelt ist an Investitionen in Dekarbonisierung, Innovation und Energieeffizienz. Wer vom europäischen Markt profitiert, muss auch Verantwortung übernehmen. Schutzpolitik ohne Modernisierungsanspruch wäre Stillstand im alten Gewand. Und das Letzte, was Europa jetzt braucht, ist industriepolitische Nostalgie.
Die echte Prüfung beginnt jetzt im Gesetzgebungsprozess. Wir dürfen uns nicht auf blasse Ankündigungen verlassen. Jetzt entscheidet sich, ob Europa bereit ist, seine industrielle Basis mit Nachdruck zu sichern – oder ob wir zulassen, dass andere sie in langwierigen Verhandlungen hinwegkaspern lassen.
Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der EVP-Fraktion werde ich mich dafür einsetzen, dass das Paket wirksam schützt, aber nicht blind blockiert: Unsere Automobil-, Maschinenbau- und Zulieferbetriebe brauchen Planungssicherheit. Kleine und mittlere Abnehmer dürfen nicht de facto abgeschnitten werden. Und wer künftig Zugang zum europäischen Markt haben will, muss faire Bedingungen akzeptieren – technologisch, ökologisch und sozial.