Ausstellungseröffnung: „Flut 2021: Eine Katastrophe im Herzen Europas“

Ich erinnere mich noch gut an die Tage im Juli 2021 – an die Bilder aus Stolberg, Bad Münstereifel, Euskirchen, Nettersheim und Weilerswist, aus Eupen und dem Ahrtal. An zerstörte Straßen, weggeschwemmte Brücken, an Menschen, die in wenigen Stunden alles verloren hatten. Über 220 Menschen kamen ums Leben – fast 180 davon in Deutschland. Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal, eine Familie, ein Leben, das sich von einem Moment auf den anderen verändert hat.

Diese Erfahrung war spürbar, als wir im Europäischen Parlament in Brüssel die Ausstellung „Flut 2021 – Eine Katastrophe im Herzen Europas“ eröffneten. Sie wurde vom Team „Gedenken – Against Forgetting“ initiiert und auf Initiative meines Kollegen Pascal Arimont gemeinsam mit Ralf Seekatz und mir organisiert. Dass Parlamentspräsidentin Roberta Metsola persönlich ein Grußwort sprach, zeigt, wie tief die Ereignisse des Sommers 2021 auch im Europäischen Parlament nachwirken – und wie groß das Bedürfnis bleibt, die Erinnerung lebendig zu halten.

Die Ausstellung zeigt Fotografien, Texte und persönliche Geschichten aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden. Sie gibt den Menschen ein Gesicht, deren Leben die Flut für immer verändert hat. Zu Wort kamen Überlebende und Helferinnen und Helfer, darunter Maria Mies aus dem Ahrtal, Nick Falkner aus Bad Münstereifel, der in den Tagen nach der Flut unermüdlich im Einsatz war, und Benjamin Van Bunderen Robberechts, der seine Freundin Rosa verlor und seither mit der Initiative „Climate Justice for Rosa“ Bewusstsein und Veränderung vorantreibt. Ihre Erzählungen haben uns tief bewegt.

Besonders eindrucksvoll war die 130 Kilogramm schwere Bronzeskulptur „Hope“ – Hoffnung. Sie zeigt eine Figur auf Zehenspitzen, die Arme weit geöffnet, den Blick himmelwärts gerichtet – ein Gegenbild zu Atlas, der in Hoffnungslosigkeit verharrt. Der Wesselinger Künstler Dennis Josef Meseg hat sie geschaffen – als Symbol für das, was die Menschen in jenen Tagen getragen hat: Hoffnung, Menschlichkeit, Tatkraft, Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn.

Die Flut hat Spuren hinterlassen, die bis heute sichtbar sind. Viele kämpfen noch immer mit den Folgen – materiell, aber vor allem seelisch. Der Wiederaufbau braucht Geduld, Mut und Solidarität. Diese Ausstellung ist deshalb mehr als ein Rückblick – sie ist ein Auftrag. Erinnerung bedeutet Verantwortung: gegenüber den Opfern und gegenüber den Menschen, die auch heute noch darum ringen, ihr Leben wieder aufzubauen.

Wir müssen als Politik die richtigen Lehren ziehen und alles daransetzen, unsere Regionen in Europa besser auf Naturkatastrophen vorzubereiten – durch moderne Frühwarnsysteme, gezielte Forschung, stärkere Vorsorge und eine enge europäische Zusammenarbeit. Dazu gehört ein funktionierender Zivilschutz, der in Krisen schnell und grenzüberschreitend helfen kann. Europa muss seine Regionen widerstandsfähiger machen – mit klaren Abläufen, gezielten Fördermitteln und einem handlungsfähigen Solidaritätsfonds. Denn Katastrophen machen nicht an Grenzen halt – und Hilfe darf es auch nicht.

Was bleibt, ist die Erinnerung an eine beispiellose Solidarität: Menschen standen füreinander ein, Nachbarn halfen Nachbarn, Landwirte rückten mit Traktoren an, Freiwillige kamen von weit her. Dieses Mitgefühl, diese Hilfsbereitschaft – das zeigt Europa im besten Sinne. Dieses Miteinander, das in jenen Tagen sichtbar wurde, ist das Europa, das wir brauchen – und das wir bewahren müssen, gerade in Zeiten wachsender Polarisierung.

Am Ende dieser Ausstellung stand die Dankbarkeit: gegenüber den Helferinnen und Helfern, die damals unermüdlich im Einsatz waren, und gegenüber allen, die heute dafür sorgen, dass die Erinnerung nicht verblasst. Dass sie sichtbar bleibt – als Mahnung, als Auftrag und als Zeichen gelebter europäischer Solidarität.

Zurück